
Was macht man wenn man seine Quarter Life Crisis* schon mit 21 betritt? Heißt das dann für mich, dass ich nur 84 werde (eigentlich schade, weil wollte meine Rente eigentlich noch ein wenig mehr strapazieren)? Aktuell befinde ich mich irgendwo zwischen meinem Bachelorabschluss und dem bisher noch Ungewissen. Türen stehen einem noch einige offen (muss mich daran selbst immer erinnern), aber im Hintergrund tickt auch die nicht endlos laufende Uhr der staatlich gegebenen Finanzspritze für Personen unter 25, aka das Kindergeld. Ob das im-Moment-sein-genießen nur versteckte Prokrastination ist sei mal ganz dahingestellt – zugegebenerweise tue ich nämlich beides.
Offensichtlich verknotet in einem Zustand der Orientierungslosigkeit versuche ich, meinen Weg zu finden, was in besagtem mentalen Zustand gar nicht so einfach ist. Ich versuche mich in alten Hobbys wiederzufinden und in neuen Leidenschaften weiterzuentwickeln, möglicherweise sogar umgedreht. Matchaschlürfend ein Buch lesen oder Nailart oder Laufen gehen oder den Kopf in die Bachelorarbeitsplanung stecken oder den Tag über kleine süße Videofrequenzen aufnehmen und dann daraus Vlogs schneiden, bei denen ich mich einpisse (ich entschuldige die Wortwahl) bevor ich sie der kleinen Audienz meiner übersehbaren Follower*innenschaft auf Instagram bereitstelle (weswegen ich sie wahrscheinlich gar nicht erst posten werde) oder in alte Playlisten eintauchen oder der Minijobhustle neben der Uni oder niedliche nostalgische Collagen zusammenstellen. Wo soll ich anfangen? So viele Sachen, die ich mache und die mich begeistern und trotzdem fühle ich den Druck, meine berufliche Bestimmung fürs Leben zu finden. Druck, der mich im Endeffekt eher blockiert als antreibt (nicht alle Diamanten entstehen unter Druck), den ich mir aktuell aber in erster Linie selbst kreiere. Da wo früher meine Eltern mit meinem noch planloseren fünfzehnjährigen Ich wöchentliche Termine festgelegt hatten, in denen ich ihnen meine beruflichen Vorstellungen darlegen sollte, sitze ich heute mit mir selbst am Tisch und zerbreche mir den Kopf mit der Angst davor, im Meer des Erwachsenseins unterzugehen. Dabei frage ich mich immer noch, wie es überhaupt sein kann, dass ich schon in diesem Meer schwimmen muss. Vor ein paar Tagen kniete ich, meine Haare föhnend, auf dem Boden meines Schlafzimmers und dachte darüber nach, dass es mega gut ist, dass ich noch 20 bin, da sich das ja noch echt jung anhöre und ganz nebenbei auch einfach eine schöne runde Zahl ist. Kurz darauf fiel mir ein, dass diese Zeiten nun auch schon länger vorbei sind, als ich wahrhaben möchte (ungefähr vier Monate). Manchmal, wenn ich nach der Uni durch Berlin Mitte von der Friedrichstraße aus an der Spree langspaziere, spaziert da schließlich auch die achtzehnjährige hoffnungsvolle Jula, die versucht, das Zeitfenster bis zur nächsten Bahn zu ihrer Heimatstadt in Brandenburg zu romantisieren. Vielleicht ist es aber auch die, die ein Jahr später nach Berlin gezogen ist, weil sie gemerkt hat, das Pendeln auf Dauer doch nichts für sie ist und lernen musste, ganz andere Sachen zu romantisieren. Wie wunderschön, dass alle Versionen meiner selbst in mir schlummern und so planlos sie doch alle waren, auch heute noch neue Erfahrungen und Herausforderungen meistern dürfen.
Vielleicht ist die Lösung, die Unsicherheit der Zukunft mehr an mich heranzulassen und offen für die Wege zu sein, die ich ansteuern könnte. Aktuell versuche ich, meine Kreativität auf verschiedene Weise wieder mehr herauszulassen und mehr Dinge zu machen (oder immerhin einfach nur auszuprobieren), die mir Freude bereiten. Wenn ich mich in den Dingen, die ich mache, wiederfinde, finde ich auch eher einen Weg für mich und mein Leben, als wenn ich prokrastiniere.
*Eine Quarter Life Crisis beschreibt eine Art Krise, die, wie der Name bereits andeutet, manche junge Erwachsene in ihren Zwanzigern durchleben können. Bei dieser Krise spielen thematisch unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Dies können beispielsweise Fragen rund um die eigene Identität, Beziehungen jeglicher Art, akademische Herausforderungen oder welche, die sich sich auf sein Arbeitsleben beziehen, betreffen. (Azza et al. 2025, 460) Ein Gefühl mangelnder Vorbereitung für das Erwachsenenleben und Zukunftsangst sind häufig einschneidende Ursprünge dieser Krise. (Azza et. al. 2025, 456) Der sozio-ökonomische Hintergrund einer Person könnte allerdings einen Einfluss auf Tendenzen der Gewichtung dieser Themen haben. (Robinson et. al. 2025, 1491-1506) Zusammenfassend bringt Jemma Sbeg in person in progress: Klarkommen als twenty-something auf den Punkt, dass Mittelpunkt einer Quarter Life Crisis, so wie auch bei ihrem Nachfolger, der Mid Life Crisis, Unsicherheit bei fundamentalen Lebensinhalten, also im Job und bei Finanzen, Gesundheit, Zukunft oder Beziehungen, besteht. (Sbeg 2025, 18)
Referenzen
Azza, D. et. al. (2025). Exploring the Quarter Life Crisis: Management Dimensions and Factors Influencing Early Adulthood Transitions Across Cultures and Educational Backgrounds. In: Journal of Educational Management Research Vol. 04 No. 02: 452-462. https://doi.org/10.61987/jemr.v4i2.957 (zuletzt abgerufen am 05.11.2025)
Robinson, O. et al. (2025). Quarter-life Crisis Eisodes in Emerging Adulthood: A Mixed-Methods Analysis of Data From Eight Countries. In: Emerging Adulthood Vol. 13 (6) 1491–1506. https://doi.org/10.1177/21676968251380890 (zuletzt abgerufen am 20.11.2025)
Sbeg, J. (2025). Person in progress: Klarkommen als twenty-something (übersetzt von G. Würdinger/O. Lingner). Ariston Verlag.
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